Rhein Main Presse, 10/2005
Natur genügend Raum lassen
Im
Holunderhof bleiben
die Hagebutten hängen
von
Stefanie Jung
Versteckt hinter hohen Mauern, Hoftoren oder der Scheune laden sie förmlich dazu ein, entdeckt zu werden: Typische Winzer- und Bauerngärten, romantische Rosen- und Staudengärten, aber auch eine beeindruckende Vielfalt an Parks, Landschaftsgärten und historischen Anlagen dokumentieren die große Kulturvielfalt und Fruchtbarkeit der Region. Die schönsten Gärten und Höfe in Rheinhessen stellt die AZ im vorerst letzten Teil dieser Serie vor.
Gartenidylle
Dass Gärtnern im Herbst nicht nicht nur mit Aufräumen und Arbeit zu tun hat, lässt sich beim Betreten der verschiedenen Gartenräume von Betina May im Dexheimer Holunderhof erleben. Im vorderen Hofbereich, mit einem in den Farben Blau und Gelb gehaltenen Themenbeet, im eher mediteran angehauchten Vor- und Küchengarten, auf dem hinter der ehemaligen Scheune gelegenen Gelände mit zwei Pavillons sowie am Naturbadeteich, im Senkgarten und am Bachlauf gilt es, in den im Ganzen beeindruckend harmonierenden Gartenpartien vielerlei zu entdecken.
Schließlich entfalten gerade im Herbst und Spätherbst viele Pflanzen ihre ganze Schönheit - oder zeigen sich einmal von einer ganz anderen, häufig unbekannteren Seite. Wenn man sie denn lässt.
“Zu dieser Jahreszeit fallen für mich eigentlich nur noch grobe Arbeiten wie Blätter wegkehren oder noch einmal die Rasenkanten nachschneiden an”, erklärt die Raum- und Gartengestalterin bei der Führung durch ein dem Motto einer bekannten Wohn- und Gartenzeitschrift starkt ähnelnden Gelände.
An den Beeten selbst hat Betina May nicht vor, bis zum Frühling Hand anzulegen. Zu sehr ist sie beispielsweise beeindruckt von den leuchtend roten Hagebuttenfrüchten ihrer vielen englischen Rosensorten: “In jedem Garten muss sich auch einmal etwas fertig entwickeln können”, lässt sie bei aller Liebe zum Detail der Natur auch genügend Raum, ihre jahreszeitliche Pracht zu entfalten.
So bilden beispielsweise in dem leicht erhöhten Beet - zwischen Senkgarten und dem mit leuchtend rot gefärbten, wilden Wein überwucherten Pavillon gelegen - ein mächtiges Lampenputzergras in Verbindung mit Kugeldisteln, dem aktuell blau leuchtenden Eisenhut und dem Wärme liebenden Bartfaden oder der fast den ganzen Sommer über blühenden Katzenminze eine harmonische Symbiose.
Besonders das den Natur-Badeteich umgebende farbliche Thema - bordeaux, weiß und silber - hat Betina May nahezu in Perfektion durch das ganze Gartenjahr verfolgt: “Eine Pflanze wie diese Astor major hat bordeaux-farbene Blätter und blüht weiß, sie harmoniert mit dem sich im Herbst an den Stilen rötlich verfärbenden Chinaschilf ebenso wie mit dem gräulichen Blattwerk von Küchenkräutern wie Eberraute und Salbei”.
“Für mich ist es wichtig, dass ich in meinem Garten leben kann”, resümiert Betina May und hat mit gärtnerischem Gespür visuelle Blickachsen geschaffen, die sie auch vom Sofa aus genießen kann: Über den im Herbst rot gefärbten Fächerahorn schweift dann der Blick in Richtung der im Winter gelb blühenden Zaubernuss bis hin zu dem mächtigen, den ganzen Winter als Blickfang dienenden Pampasgras.